Ein Jahr nach der Flut: Katastrophe, Wiederaufbau und Klimaschutz

Wie haben die GRÜNEN im Kreisverband Ahrweiler die Flutkatatstrophe im Juli 2021 erlebt und wie geht es Ihnen heute? Für die aktuelle Ausgabe des Mitgliedermagazins GRÜNregional haben drei Vertreter*innen des Kreisvorstands unsere Fragen beantwortet:

Als die Anfrage für ein Interview im Kreis Ahrweiler eintraf, war sich der sechsköpfige Vorstand der GRÜNEN vor Ort schnell einig, dass sie sich den Fragen gern als Team stellen würden. Denn als Team haben sie auch die Herausforderungen nach der Flut gemeistert. Drei der fünf damaligen Vorstandsmitglieder sind bis heute im Kreisvorstand und so haben diese drei – Sprecherin Stefani Jürries, Schatzmeisterin Kristina Schmidt und Geschäftsführer Harm Sönksen gemeinsam die Beantwortung übernommen. Seit vergangenem Herbst ist der Vorstand durch Sprecher Stefan Reimann und das Presseteam Verena Örenbas und Claudia Schmitz wieder verstärkt.

GRÜNregional: Die Flutkatastrophe war die schlimmste Katastrophe im Land seit dem Ende des zweiten Weltkriegs. Welche Erfahrungen aus der Flutnacht und den Tagen danach haben euch besonders geprägt?

Kristina: Der totale Verlust des gewohnten Umfelds! Ein Zuhause ist ein Ort der Sicherheit – nichts war davon noch übrig. Der morgendliche Kaffee, die Toilettenspülung, ein sauberes, trockenes Bett und Gesundheitsversorgung: Alles erforderte plötzlich enormen Aufwand, nichts ging mehr aus eigener Kraft.

Das Gemeinschaftsgefühl! Nachdem das Wasser abgeflossen war, lagen sich die Überlebenden in den Armen, selbst, wenn vorher jahrelang Funkstille herrschte. Die Menschen organisierten Essen und Gummistiefel, während die Hilfsorganisationen zunächst die Rettung oder Bergung der weiteren Opfer übernahmen.

So viel Blaulicht! Schmutzige Schuhe, der Geruch von mit Öl getränktem Schlamm, die Autoberge, braun und grau, der Verlust des Zeitgefühls, das surreale Gefühl beim Besuch von umliegenden Gemeinden, in denen alles „normal“ war.

Das Ahrtal wird klimaresilient wiederaufgebaut – ein Kraftakt für alle Beteiligten. Wie sieht es heute vor Ort aus? Welche Meilensteine sind schon geschafft?

Stefani: Die Herausforderungen dauern an, der Kreistag und die Kreisverwaltung treffen aktuell gemeinsam mit der neuen Landrätin viele richtungweisende Entscheidungen, die fast immer im Vorfeld kontrovers diskutiert werden. Die Kommunalpolitik hat aber nun wieder klar die Verantwortung übernommen – es hat leider zu lange gedauert, bis der Weg für Neuwahlen endlich frei war. Gemeinsam müssen wir entscheiden, wie wir in den nächsten Jahren leben wollen und wie nachhaltig und klimaresilient wir den (Wieder-) Aufbau gestalten – die GRÜNE Position ist klar.

Bei der Bundestagswahl im Herbst haben die Wähler*innen im Landkreis verstärkt GRÜN gewählt. Ist der Zuwachs von 5,3 Prozent ein Zeichen für ein Umdenken beim Klimaschutz?

Harm: Schon bei der Landtagswahl im März 2021 lagen bei uns die Zweitstimmenergebnisse in beiden Wahlkreisen über dem Landesergebnis (9,3%): 10,1% in WK 13 und 9,5% WK 14. Dieser Trend wurde bei der Bundestagswahl bestätigt, obwohl wir GRÜNE im Kreis wegen der Flutkatastrophe komplett auf das Plakatieren verzichteten. Bei der Landratswahl haben wir dann als einzige Partei die parteilose Wahlsiegerin Cornelia Weigand unterstützt, die klar ein Umdenken beim Klimaschutz in ihrem Wahlprogramm hatte.
Es ist auch bei der Mitgliederentwicklung eher so, dass der allgemeine Trend von rund 5% Mitgliederzuwachs pro Jahr bei uns auch nach der Flutkatastrophe anhält – aktuell hat der Kreisverband 211 Mitglieder.

Was braucht es nach eurem Ermessen, damit sich die Menschen im Ahrtal wieder sicher fühlen können?

Kristina: Information und Unterstützung zu den Themen des Neuaufbaus, klare Kommunikation der Verwaltungen und Beteiligung der Bürger*innen wo immer möglich,  helfen, die Eigenverantwortung und die Selbstwirksamkeit der Menschen zu stärken.

Ein kreisweites Katastrophenschutzkonzept und die Sichtbarkeit der Blaulichtfamilie geben das Vertrauen in funktionierende Strukturen zurück.

Wo steht der Wiederaufbau in einem Jahr? Was sind die nächsten und wichtigsten Schritte?

Stefani: Viele Projekte laufen jetzt an – Nahwärmenetze und andere neue Energiekonzepte werden lokal umgesetzt – Fahrradwege und auch Straßen neu und anders geplant. Wir wollen die Chancen nutzen, die in diesem (Wieder-) Aufbau liegen. Die sozialen Aspekte der Folgen der Flutkatastrophe müssen aber ebenso klar benannt und aufgearbeitet werden – Jugendliche, Kinder, Familien, ältere und kranke Menschen haben häufig besonders gelitten, und wir GRÜNEN dürfen und werden auch diese Folgen nicht aus den Augen verlieren.